Ist Erinnerung ohne Dinge möglich? Marcel Proust unterscheidet in seinem Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ zwischen freiwilligen Erinnerungen und unfreiwilligen/unwillkürlichen Erinnerungen. Letztere sind demnach psychische Erlebnisse, die beispielsweise durch Déjà-vu-Erlebnisse als wahre Empfindung zum Vorschein kommen und dabei Erlebnisse in Form von Bildern, Klängen, Geschmäcken oder Gerüchen wieder erleben lassen. Freiwillige bzw. willentliche Erinnerungen dagegen sind nach Proust immer verfälscht und unvollständig.
Aber ist es nicht genau das, was wir wollen? Uns nur an die Dinge erinnern, die wir dafür auswählen? Und doch sind es irgendwie vergebliche Bemühungen, etwas aus unserer Vergangenheit nur durch Geistesanstrengung herauf zu beschwören. Deshalb belegen wir ansonsten belanglose Gegenstände mit einem unglaublichen Wert und kaufen diese von mehr oder weniger seriösen Händlern auf der ganzen Welt.
Ich finde es wirklich anstrengend, mich durch die Souvenirläden zu wühlen, wo es viel zu viel billigen und kitschigen Kram gibt. Möchte man allerdings ein „echtes“ Souvenir haben, kann das schnell mal teuer werden, vor allem in Nordeuropa. Da kostet zum Beispiel ein knapp 20 cm großes Dalahäst (Dalapferd) schon mal 40€ (zumindest das Original). Da überlegt man sich zweimal, ob man sowas wirklich nur ‚einfach so‘ mitbringt, damit es dann bei anderen verstaubt. Früher fand ich es nett, wenn mir aus der Familie jemand etwas aus dem Urlaub mitgebracht hat. Aber meistens stand es ein paar Wochen im Zimmer und wanderte dann auf den Dachboden, wo es vor sich hin verstaubte. Daraus habe ich wohl gelernt, denn solche Sachen, die hinterher einfach nur rumstehen könnten, bringe ich niemandem mit, auch nicht mir selber.
Bei uns hat es sich dafür durchgesetzt, dass wir immer Nahrungsmittel mitbringen. Mal nur zum Probieren, wie die Pfefferminzsoße aus England (weil doch einfach jeder nach ‚Asterix bei den Briten‘ wissen möchte, wie das nun schmeckt…), oder eben 2 kg Wald-Blaubeeren aus Helsinki, weil ich weiß wie sehr sich alle darüber freuen, auch Mitte September (wenn in Deutschland die sowieso traurig ausgefallene Beerenzeit schon lange vorbei ist) mal einen echten Blaubeerkuchen zu essen. Zählen solche Sachen als Souvenirs? Wahrscheinlich nicht, und doch erinnert man (zumindest ich) sich dadurch viel besser an etwas, als wenn es nur symbolisch irgendwo rumsteht. Die Hamsterkäufe an Brunost und Salmiakbonbons sind dann aber wohl wirklich keine Souvenirs mehr…
Was ich aber dann doch sammel, sind Aufnäher mit der Flagge des jeweiligen Landes oder des Wappens der Stadt wo ich war, denn ich kann mich stundenlang mit Karten und Flaggen beschäftigen. Für die Aufnäher fehlt mir bis jetzt leider noch der perfekte Platz. Eigentlich sollten sie auf meinen großen Trekking-Rucksack, aber da der irgendwie doch seltener zum Einsatz kommt als gehofft und ja früher oder später doch mal kaputt geht, konnte ich mich noch nicht dazu durchringen, alles tatsächlich aufzubügeln. Und bis es dazu kommt, habe ich die großen Versionen an der Wand und markiere auf einer Karte wo ich bereits war. So wird jeder kleine grüne Punkt zu einem Souvenir. Ansonsten kommen regelmäßig Steine, Muscheln oder Lavabrocken zurück mit nach Hause. Den entsprechenden Setzkasten gibt es zwar schon, aber das Einsortieren steht bis jetzt noch auf der to-do-Liste.
Wie schwer es allerdings ist, das perfekte materielle (kaufbare) Souvenir zu finden, wurde mir gegen Ende meiner Zeit in Göteborg bewusst, als ich (fast schon krampfhaft) nach etwas suchte, dass meine Erinnerungen aufrecht erhält, denn ich wollte kein bisschen dieser anderthalb Jahre vergessen. Leider habe ich es nicht geschafft, etwas zu finden, dass allen meinen Ansprüchen genügte. Dafür erweist sich dieser Blog so nach und nach als perfektes „Souvenir“. Bei früheren Reisen wurden Fotos gemacht, die zwar auch hinterher brav entwickelt und einsortiert wurden, aber das wars dann leider auch. Seit ich allerdings blogge und sowieso aufschreibe, was ich erlebt habe, kann ich die vielen Fotos und Broschüren gleich noch mit den entsprechenden Texten versehen und das ganze zu einem hübschen Album zusammen puzzeln, dass ich mir immer wieder gerne anschaue. Das macht zwar das Fernweh unglaublich groß, aber das ist es ja schließlich, wozu Souvenirs da sind, oder?
Wer sich noch etwas wissenschaftlicher mit diesem Thema auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich die Abhandlung von Ingrid Thurner: „Das Souvenir als Symbol und Bedürfnis„.
Mit diesem Beitrag nehme ich an der Blogparade von ‚Raus ins Leben‘ teil: Mein liebstes Souvenir.
Wie haltet ihr es mit Souvenirs? Ist Erinnerung ohne Dinge möglich? Oder habt ihr eine Sammelleidenschaft für bestimmte Dinge? Was bringt ihr mit nach Hause? Lasst es mich über die Kommentare wissen!
Liebes Schneehörnchen,
souvenir-technisch haben wir offenbar Einiges gemeinsam. Auf zur Fahnen-/Flaggenjagd 🙂
Liebe Grüße,
die Flugente
Liebe Tine,
ganz lieben Dank für die Teilnahme an meiner Blogparade. Helsinki steht noch auf meiner Reisewunschliste!
Liebe Grüße
Renate
Liebe Renate,
vielen Dank für die Blogparade! Sind ja viele schöne Beiträge zusammengekommen.
Helsinki ist wirklich toll, eine richtige Multi-Kulti-Stadt mit vielen grünen Oasen. Und besonders für Design-Liebhaber sehr empfehlenswert!
Viele Grüße, Tine
[…] Diese Frage stellt sich Tine von Schneehörnchen, ist es doch häufig schwer, ein schönes Souvenir zu kaufen, das die an deine Reise erinnern soll. Zwischen all‘ dem künstlichen Kitsch muss du oft lange suchen. Die vom Fernweh geplagte Bloggerin sammelt gerne Nahrungsmittel wie Blaubeeren aus Helsinki, Muscheln oder Aufnäher. Erfahre mehr über die Reize des hohen Nordens bei Schneehörnchen. […]